Sehr geehrte Frau Anne Will,<\/p>\n
mit gro\u00dfem Interesse verfolgte ich am 1. Mai Ihre Sendung. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie den dreifachen Familienvater Ahmed \u00d6zkaratas eingeladen hatten, der exemplarisch f\u00fcr einen breiten Bev\u00f6lkerungsteil seine Probleme schildern durfte. Ich danke Ihnen auch daf\u00fcr, dass es einmal nicht um Hartz IV- Empf\u00e4nger ging, sondern um ganz normale Arbeitnehmer mit Kindern, die in den meisten Diskussionen schlicht vergessen, vielleicht auch bewusst \u00fcbergangen werden.<\/p>\n
Das Hauptproblem, weshalb der Familie bei vollem Erwerb das Geld nicht reicht, liegt m. E. nicht in erster Linie am zu geringen Bruttoeinkommen, sondern an der Verteilungsstruktur unserer Sozialsysteme. H\u00e4tte der Mann keine Kinder, w\u00fcrden ihm am Monatsende noch ein paar Hunderter zur freien Verf\u00fcgung bleiben. Schon mit einem Kind schmilzt dieser Betrag zusammen, mit zwei Kindern bleibt ihm nichts mehr \u00fcbrig und mit drei Kindern rutscht er schon ins Minus. Je mehr Kinder, desto n\u00e4her ger\u00e4t die Familie an die Armutsgrenze. Je gr\u00f6\u00dfer die Familie, desto mehr Verbrauchssteuern fallen zus\u00e4tzlich an. <\/p>\n
Wo liegt der Haken? Wie Sie der angef\u00fcgten Tabelle des Deutschen Familienverbandes e. V. entnehmen k\u00f6nnen, zahlt jeder Arbeitnehmer bruttolohnabh\u00e4ngig den gleichen Betrag in die Sozialkassen, egal ob er keine Kinder hat oder f\u00fcr f\u00fcnf Kinder aufkommen muss. Bei der Steuer spielt die Kinderzahl eine Rolle, denn der Vater bekommt die R\u00fcckerstattung f\u00fcr das bereits versteuerte Existenzminimum der Kinder als sog. Kindergeld zur\u00fcck. Das f\u00e4lschlich so bezeichnete Kindergeld ist also keine staatliche F\u00f6rderung, sondern reiner Rechtsanspruch. Leider verkaufen Politik und Medien das Kindergeld noch immer als Transferleistung. Nun leisten Eltern dadurch, dass sie \u00fcberhaupt Kinder aufziehen und f\u00f6rdern bereits einen unersetzlichen Dienst an der Gesellschaft, dem laut Urteilen des BVerfG (Urteil zum Familienlastenausgleich 1998 und Urteil zur Pflegeversicherung 2001) Rechnung getragen werden muss. Dies ist aber bisher von keiner Regierung umgesetzt worden, d. h. Eltern von Kindern geschieht noch immer Monat f\u00fcr Monat Unrecht. Monat f\u00fcr Monat hat Herr \u00d6zkaratas ca. 800 Euro zu wenig im Geldbeutel. <\/p>\n
Ein Beispiel: Ein Alleinverdiener mit drei Kindern hat ein Jahresgehalt von 40 000 Euro. Da f\u00fcnf Personen davon leben m\u00fcssen, verf\u00fcgt der Vater nur noch \u00fcber 8000 Euro. Gerechterweise d\u00fcrften ihm nur von diesen 8000 Euro Sozialabgaben abgezogen werden, denn er leistet ja den generativen Sozialbeitrag durch die Versorgung seiner Kinder, die ja weit mehr verbrauchen als nur ihr Existenzminimum. <\/p>\n
Diese Schieflage unseres Sozialsystems wird von Familienverb\u00e4nden seit Jahren angeprangert, zuletzt in einer Abgeordnetenbefragung. Die Frage lautete: \u201eSind Sie f\u00fcr eine familienfaire Sozialreform, die o.g. Ungerechtigkeiten beseitigt?\u201c Die Antworten waren ern\u00fcchternd. Ich habe den Eindruck, dass Kinderarmut und die deutsche Armut an Kindern Politiker heute gar nicht mehr interessiert. Politik und Medien beschr\u00e4nken sich auf die Parole: \u201eBildung, Bildung, Bildung\u201c, wobei zu fragen ist, was hier unter Bildung verstanden wird. Ich habe den Verdacht, dass es dabei haupts\u00e4chlich um Intensivierung der Erwerbsarbeit von M\u00fcttern geht. Dabei \u00fcberbieten sich unsere Parteien gegenseitig an Vorschl\u00e4gen, wie man den Familien immer noch mehr Geld wegnehmen und statt dessen in Tageseinrichtungen investieren kann. <\/p>\n
Sehr geehrte Frau Will, es w\u00e4re an der Zeit, dieses Problem in aller \u00d6ffentlichkeit zu diskutieren. Dazu schlage ich Ihnen als ausgezeichneten, TV-erfahrenen Experten den vorsitzenden Richter am Darmst\u00e4dter Sozialgericht vor: Herrn Dr. J\u00fcrgen Borchert. Seit vielen Jahren k\u00e4mpft er f\u00fcr ein gerechteres System, in dem sich sogar viele Transfairleistungen er\u00fcbrigen. Ein hervorragender Kenner ist auch Dr. Johannes Resch, Arzt und Psychotherapeut, der in der zunehmenden Entrechtung von Eltern die Hauptursache der Familienarmut sieht. ( E-mail: johannes.resch@t-online.de) Eine sehr engagierte K\u00e4mpferin f\u00fcr Familiengerechtigkeit ist die \u00c4rztin Frau Dr. Maria Steuer, die Initiatorin des Familiennetzwerks : Familie ist Zukunft ( E-Mail: info@familie-ist-zukunft.de)<\/p>\n
Bei der Frage nach dem krassen Geburtenschwund spielt die Tatsache eine wesentliche Rolle, dass hierzulande mit jedem Kind das Armutsrisiko zunimmt. Wie lange wollen wir uns diesen Skandal noch leisten? Wenn auch meine vier Kinder in den Geb\u00e4rstreik getreten w\u00e4ren, dann w\u00e4re die junge Generation schon mal um zehn k\u00fcnftige Beitragszahler \u00e4rmer. Ganz ehrlich: Mir ist angst und bange vor den Lasten, die diese Generation wird schultern m\u00fcssen, wenn sie nicht schon vorher den Aufstand probt. Aus diesem Grund engagiere ich mich f\u00fcr unsere hiesige Elterninitiative mit folgender Internetseite f\u00fcr dieses Problem:
www.familiengerechtigkeit-rv.de.<\/p>\n
Sehr geehrte Frau Will, ich w\u00fcrde es sehr begr\u00fc\u00dfen, wenn Sie den Mut h\u00e4tten, die Problematik der Familienarmut einmal von dieser strukturellen Seite her zu beleuchten.<\/p>\n
Damit setze ich meine Hoffnung auf Sie und Ihre Sendung und gr\u00fc\u00dfe Sie freundlich<\/p>\n
B\u00e4rbel Fischer<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
Sehr geehrte Frau Anne Will, mit gro\u00dfem Interesse verfolgte ich am 1. Mai Ihre Sendung. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie den dreifachen Familienvater Ahmed \u00d6zkaratas eingeladen hatten, der exemplarisch f\u00fcr einen breiten Bev\u00f6lkerungsteil seine Probleme schildern durfte. Ich … Weiterlesen